
Boris Brändli ist als Führungscoach für Unternehmen wie auch Private tätig. Der Betriebsökonom FH (Weiterbildung am INSEAD Institut) schöpft dabei aus seiner über 20-jährigen Karriere als Führungskraft in multinationalen Unternehmen (Schweiz und UK) mit Schwerpunkt im HR. Dieser Erfahrungsschatz und seine heutige Tätigkeit erlauben ihm vielfältige Einblicke in die Strukturen und Lohnmechanismen unserer Arbeitslandschaft.
Boris Brändli: Ab einem gewissen Niveau ist es bei Führungskräften ein Hygienefaktor, wie ich sagen würde. Daher fallen eher andere Faktoren beim Entscheid für die neue Stelle ins Gewicht. Eine Lohnverbesserung wird meist mit einem Stellenwechsel erreicht. Denn die internen Lohnrunden bringen oft kaum mehr als den Teuerungsausgleich.
Ich habe als Berater viele Salärrunden begleitet und die Erfahrung gemacht, dass man wegkommt von der Giesskanne. Früher galt beispielsweise: fünf Prozent Anstieg für alle. Heute steht oftmals ein beschränktes Budget zur Verfügung. Dann gibt es für die eine Person im Team auch mal gar nichts, für eine andere dafür eine deutliche Erhöhung. Man verteilt das Geld gezielt, auch in Bezug auf Leistung. Hier wäre ich aber vorsichtig, denn die Leistung sollte jener Anreiz sein, der den variablen Lohnanteil ausmacht.
Viele Unternehmen haben eine Globalvorgabe. Darüber hinaus liegt meist nicht mehr viel drin. Wenn jemand beispielsweise beim Stellenantritt eher etwas tief reingekommen ist, vielleicht aufgrund der Erfahrung, dann ist es auch für Vorgesetzte schwierig, diese Person auf ein gutes Niveau anzuheben, auch wenn es berechtigt wäre. Wenn also kein Budget für eine strukturelle Lohnrunde vorhanden ist, kann es sich lohnen, über einen Stellenwechsel einen Anstieg zu erreichen.
Ich würde die Interpretation wagen, dass dies zeigt, dass oftmals eher in die Führung investiert wird, als in die Fachkräfte. Dies ist leider auch eine Tatsache. Das sollte nicht so sein, kommt aber vermutlich daher, dass man im Talentmanagement den Fokus stark auf die Führungslaufbahn legt und etwas weniger auf die Fachlaufbahn. Dabei sollte man auch die Experten honorieren, die sehr gut sind in ihrem Fach.
Im Talentmanagement liegt der Fokus stark auf der Führungslaufbahn. Dabei sollte man auch die Experten honorieren, die sehr gut sind in ihrem Fach.
Da kann man nicht so viel herausholen. In den professionellen Vergütungssystemen der Unternehmen ist die Bandbreite für Einsteiger gering. Das Lohnband reicht insgesamt von 80 bis 120 Prozent des Referenzlohns. Und bei der Einstufung zählt vor allem die Erfahrung. Als Einsteiger wird man sicher unter 100 Prozent liegen. Nuancen kann man wohl herausholen. Mehr Spielraum gibt es hingegen bei erfahrenen Führungskräften – insbesondere wenn die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gut ist.
Was ich sehe ist, dass Unternehmen tatsächlich fast zu stark auf die Benefits fokussieren. Sie sind «nice to have», aber nicht match-entscheidend. Mitarbeitenden sind andere Punkte wichtiger: Wertschätzung vom direkten Vorgesetzten, dass man sich einbringen kann und dies gehört wird sowie die Möglichkeit zu Weiterentwicklung. Echte Wertschätzung ist sicher wichtiger als der Gratis-Gesundheitskorb mit den Äpfeln.
Ich denke schon. Man kommt teilweise wieder weg von diesen Angeboten und schaut, was den Mitarbeitenden wirklich wichtig ist. Gewisse Leistungen werden hingegen auch sehr geschätzt, etwa wenn eine Arbeitgeberin das ÖV-Abo bezahlt oder einen Anteil an die Krankenversicherung.