Interview von Ursula Ammann
Nadja Schubiger: In meiner Funktion als Ausbildungsverantwortliche spüre ich die Herausforderung, junge Menschen für Pflegeberufe zu gewinnen und langfristig zu halten. Die Anforderungen an Pflegefachpersonen sind hoch, gleichzeitig verändern sich die Erwartungen der jüngeren Generation. Themen wie Work-Life-Balance, Entwicklungsmöglichkeiten und eine wertschätzende Kultur gewinnen zunehmend an Bedeutung. Rahmenbedingungen wie starre Dienstpläne, Schichtdienste und geringe Flexibilität wirken auf Jüngere deshalb eher abschreckend. Der demografische Wandel verstärkt den Fachkräftemangel zusätzlich, denn viele erfahrene Mitarbeitende treten in den Ruhestand, während der Pflegebedarf aufgrund der alternden Bevölkerung weiter steigt.
Mit meiner Masterarbeit wollte ich herausfinden, wie wir Pflegeheime unser Image so verändern können, dass junge Menschen Pflegeberufe als sinnstiftend und spannend wahrnehmen.
Nadja Schubiger
Absolventin MAS Health Service Management
Viele junge Menschen nehmen Pflegeheime als altmodisch, wenig innovativ und die Arbeit dort als körperlich anstrengend, belastend und monoton wahr. Zudem besteht häufig der Eindruck, dass es kaum Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung gibt. Dazu kommt, dass sich viele junge Menschen in ihrer Ausbildung einen stärkeren Fokus auf medizinische Inhalte wünschen und sich deshalb eher für eine Tätigkeit im Spital entscheiden. Jedoch gilt es zu beachten, dass auch Pflegeheime immer häufiger und anspruchsvolle medizinische Aufgaben übernehmen. Denn aufgrund des zunehmenden Alters der Bewohnerinnen und Bewohner sind komplexe Krankheitsbilder keine Seltenheit mehr. Infusionstherapien oder auch Palliative Care gewinnen somit an Bedeutung. Dadurch eröffnen sich auch im Pflegeheim vielfältige Möglichkeiten, medizinisches Wissen zu vertiefen und sich fachlich weiterzuentwickeln.
Vertreterinnen und Vertreter der Generation Z sind digital geprägt, stark werteorientiert und suchen nach Sinnhaftigkeit und Flexibilität. Wichtig sind ihnen auch Wertschätzung, Teamgeist und die Möglichkeit, sich einzubringen und mitzugestalten. Sie wünschen sich ein Arbeitsumfeld, in dem ihre Stimme zählt und in dem sie sich persönlich und fachlich entfalten können. Zudem wollen sie sichtbare Perspektiven sehen: Weiterbildungsmöglichkeiten, Karrierepfade und Rollenmodelle, die sie inspirieren. Mit meiner Masterarbeit wollte ich herausfinden, wie wir Pflegeheime unser Image so verändern können, dass junge Menschen Pflegeberufe als sinnstiftend und spannend wahrnehmen. Ich wollte wissenschaftlich fundiert aufzeigen, dass Pflegeheime mit gezielten Employer-Branding-Massnahmen ihre Arbeitgeberattraktivität stärken können und dass wir nicht nur auf politische Lösungen warten müssen, sondern selbst aktiv werden können. Wer nichts tut, verliert junge Talente an andere Einrichtungen oder andere Branchen.
Sie müssen die Botschaft vermitteln, dass die Mitarbeitenden wertgeschätzt und individuell gefördert werden, dass sie sich stets weiterentwickeln können und dass ihre Arbeit sinnhaft und von gesellschaftlicher Relevanz ist. Es reicht aber nicht aus, diese Werte nur zu formulieren. Junge Menschen spüren sehr genau, ob es sich um leere Versprechungen handelt. Die Werte müssen authentisch gelebt und transparent kommuniziert werden – besonders auch über digitale Kanäle. Ein wichtiger Schlüssel ist zudem, die Lernenden miteinzubeziehen und ihnen echte Entwicklungsperspektiven zu bieten. Auch die Führungskultur spielt eine entscheidende Rolle. Hierarchische Strukturen schrecken die jüngere Generation ab. Es braucht eine offene Kommunikation, eine gute Feedbackkultur und die Möglichkeit zur Mitgestaltung. Und nicht zuletzt können Pflegeheime ihre Attraktivität erhöhen, indem sie flexiblere Arbeitsmodelle schaffen.
Pflegeheime sind 24h-Betriebe. Schichtdienste lassen sich nicht vermeiden. Trotzdem ist es möglich, dem Wunsch nach Flexibilität und Work-Life-Balance nachzukommen. Wir planen die Einsätze frühzeitig, beziehen individuelle Wünsche ein und versuchen, Dienstzeiten so zu gestalten, dass sie mit dem öffentlichen Verkehr gut vereinbar sind. So können Mitarbeitende und Lernende ihre Freizeit besser planen und die Arbeit mit ihren persönlichen Bedürfnissen in Einklang bringen.
Es wird immer schwieriger, über traditionelle Rekrutierungswege – beispielsweise über Printinserate – geeignete Fachkräfte und Lernende zu finden. Trotzdem dominiert diese klassische Vorgehensweise, während digitale Plattformen und Social Media kaum genutzt werden. Um junge Talente anzusprechen, ist es aber unumgänglich, auch dort präsent zu sein.
Ziel meiner Arbeit war es, eine umfassende Employer-Branding-Strategie zu entwickeln, welche die digitale Präsenz, die Arbeitsbedingungen und die Unternehmenskultur umfasst. Zunächst habe ich die Arbeitgebermarke klarer definiert und unsere Werte gezielt nach innen und aussen kommuniziert. Unter anderem unter gezieltem Einsatz von Social Media. Dazu habe ich Lernende und Mitarbeitende aktiv als Botschafterinnen und Botschafter eingebunden. In kurzen Videos geben sie authentische Einblicke, erzählen persönliche Geschichten und schaffen dadurch emotionale Nähe. Um unsere Präsenz zusätzlich zu stärken, habe ich die Zusammenarbeit mit Schulen intensiviert und gehe häufiger an Berufsmessen, um frühzeitig Kontakt zu potenziellen Lernenden aufzubauen. Dabei versuche ich, den Pflegeberuf nahbar und erlebbar zu präsentieren – unter anderem mit VR-Brillen.
Für unsere Lernenden habe ich ein internes Mentoring-Programm eingeführt, um sie während ihrer Ausbildung besser zu begleiten und individuell zu fördern. Hier spielen aber auch die Führungskräfte eine wichtige Rolle. Diese sensibilisiere ich in Schulungen und Gesprächen für die Bedürfnisse der Generation Z. Weiter ist der Aufbau einer Feedback- und Wertschätzungskultur ein zentrales Anliegen. Lernende sollen zu Wort kommen und mitgestalten können. Erwähnenswert ist auch unsere interne App. Sie bietet den Mitarbeitenden eine Plattform zum direkten Austausch und stellt Neuigkeiten sowie Arbeitspläne in kompakter Form bereit.
Ja, erste Effekte sind spürbar: Unsere Sichtbarkeit bei jungen Menschen hat sich erhöht. Wir erhalten vermehrt Initiativbewerbungen und Rückmeldungen über Social Media. Auch intern hat sich das Klima verbessert: Lernende fühlen sich besser eingebunden, ernst genommen und wertgeschätzt. Das wiederum stärkt die Bindung. Allerdings gilt es zu beachten, dass der Wandel immer Zeit und Ressourcen braucht. Entscheidend ist, dass die verschiedenen Anspruchsgruppen mitmachen. Nur über die Einbindung aller Beteiligten lässt sich eine echte Wirkung erzielen. Employer Branding ist deshalb ein kontinuierlicher Prozess, kein einmaliges Projekt.
Führungskräfte des Gesundheitswesens müssen in der Lage sein, im typischen Spannungsfeld divergenter Anforderungen von Politik, Betriebswirtschaft und Profession nachhaltig erfolgreich zu agieren. Im interprofessionell ausgerichteten Studienprogramm (MAS) Health Service Management entwickeln die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein vertieftes Verständnis von Führungsaufgaben und branchenspezifischem Management.