
Interview: Nora LĂĽthi
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Ernesto Turnes: Geopolitische Unsicherheiten führen in der Regel zu einer erhöhten Volatilität, also zu stärkeren Marktschwankungen. Besonders private Anlegerinnen und Anleger fühlen sich dadurch verunsichert. Häufig reagieren sie emotional, etwa mit Panikverkäufen, was die Schwankungen zusätzlich verstärkt.
Pascal Bechtiger: Ja, institutionelle Investorinnen und Investoren wie Pensionskassen agieren in der Regel unbeirrter und gelassener. Sie halten konsequent an ihren Anlagestrategien fest und nutzen Kursrückgänge für gezielte Zukäufe. Viele Privatanlegerinnen und -anleger hingegen steigen aufgrund emotionaler Fallstricke oft im falschen Moment aus, realisieren Verluste und sind beim Aufschwung nicht mehr dabei.
Prof. Ernesto Turnes
Ernesto Turnes ist Professor für Banking & Finance und Leiter des Instituts für Finance und Law (IFL) an der OST. Seine Schwerpunktthemen umfassen: Asset Management, Sustainable Finance und Crypto Assets. Er ist Co-Autor von vier Lehrbüchern, Stiftungsrat einer grossen Pensionskasse und Chairman einer Asset Management Boutique. Vor seiner Tätigkeit an der OST hat er bei zwei Grossbanken in der Schweiz gearbeitet.
Ernesto Turnes:  Die Schweiz bietet weiterhin stabile Rahmenbedingungen mit tiefer Inflation, hohem Bildungsniveau und verlässlicher politischer Ordnung, was das Vertrauen der Anlegerinnen und Anleger stärkt.
Doch geopolitische Spannungen und protektionistische US-Massnahmen setzen exportorientierte Unternehmen mit Fokus auf den amerikanischen Absatzmarkt massiv unter Druck. Der aktuelle US-Zollhammer gefährdet Lieferketten und erschwert den Zugang zu diesem zentralen Markt. Die Abschwächung des US-Dollars und der starke Franken verschärfen die Lage zusätzlich und mindern die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Handelsgeschäft.
Pascal Bechtiger: Ein zentraler Punkt ist das konsequente Festhalten an der einmal definierten Anlagestrategie. Grundlage für den Aufbau einer nachhaltigen Portfoliostruktur ist die Klärung des individuellen Risikoprofils – bestehend aus Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit. Man muss sich also fragen, wie viel Risiko man eingehen möchte und wie viel Risiko man finanziell überhaupt verkraften kann. Beide Fragen lassen sich am besten mit einer individuellen Finanzplanung beantworten.
Prof. Pascal Bechtiger
Pascal Bechtiger ist Professor für Banking & Finance am Institut für Finance und Law der OST. Er lehrt und forscht im Bereich der privaten Finanzplanung, ist Co-Autor des Lehrbuches «Orientierung statt Moneypulierung» und verfügt über mehrere Jahre Praxiserfahrung im Finanzplanungsbereich.
Ernesto Turnes: Wer in turbulenten Zeiten gelassen bleibt und seine Anlagestrategie konsequent verfolgt, hat die besten Chancen, eine Krise unbeschadet zu überstehen. Entscheidend ist eine breite Streuung des Vermögens über verschiedene Anlageklassen, Regionen und Branchen, um Risiken zu verringern und impulsive Fehlentscheidungen zu vermeiden.
Ständiges Beobachten der Börsenkurse bringt in der Regel keinen Mehrwert. Im Gegenteil: Es erhöht oft die Versuchung zu unüberlegten Handlungen. Wer merkt, dass Marktunsicherheiten das eigene Wohlbefinden beeinträchtigen, kann sein Kapital einer Bank oder einer Vermögensverwaltung anvertrauen.
Ernesto Turnes: Künstliche Intelligenz hat im privaten Anlagebereich derzeit nur begrenzte Relevanz. Im Banking wird sie bereits für Aufgaben wie Betrugserkennung oder Kundenservice eingesetzt, doch für Privatanlegerinnen und -anleger sind viele Anwendungen noch technisch unausgereift, datenmässig unvollständig oder aufgrund des rechtlichen Anlegerschutzes in ihrer Funktion eingeschränkt.
Generative Modelle wie ChatGPT können Informationen bereitstellen und Markttrends einordnen, ersetzen jedoch keine persönliche, fundierte Anlageberatung. Die Gründe liegen in der Komplexität der Finanzmärkte, der Notwendigkeit aktueller und geprüfter Daten sowie in regulatorischen Beschränkungen.
Pascal Bechtiger: Der demografische Wandel – also die Veränderung der Bevölkerungsstruktur und die steigende Lebenserwartung – erhöhen den Druck auf das Vorsorgesystem. Der Aufbau eines privaten Vermögens wird immer wichtiger, um drohende Einkommenslücken im Alter auszugleichen.
Pascal Bechtiger: In diesem Sinne ist Sparen kein Verzicht, sondern ein Aufschub für den Konsum im letzten Lebensabschnitt – und eine Investition in die eigene finanzielle Gesundheit. Gerade Junge sollten früh anfangen. Selbst kleine Beträge lohnen sich dank des Zinseszinseffektes langfristig. Anlagekompetenz ist der beste Schutz in unsicheren Zeiten: Wer sich informiert, strategisch plant und frühzeitig handelt, hat bessere Chancen, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen.
Fachkurs «Financial Health: Mit Finanzplanung zu finanziellem Wohlbefinden»
Finanzplanung, Vorsorge und Anlegen: Drei Themen, die für eine ganzheitliche Beratung zusammengedacht werden müssen. Der dreitätige Fachkurs «Financial Health: Mit Finanzplanung zu finanziellem Wohlbefinden» durchleuchtet die private Finanzplanung, befasst sich mit der Notwendigkeit selbstbestimmter Vorsorge und behandelt grundlegende Aspekte der Geldanlage.
CAS Finanzplanung im Private Banking
Es gehört zu den Kernaufgaben von Kundenberatenden, die finanziellen Ziele und Wünsche der Kundinnen und Kunden zu verstehen und entsprechenden Handlungsbedarf abzuleiten. Der CAS Finanzplanung im Private Banking vermittelt kompaktes Wissen in sämtlichen Bereichen der privaten Finanzplanung und ebnet den Weg für wertstiftendes Finanzcoaching.