Immer mehr Mieterinnen und Mieter können sich ihre Miete nicht leisten. Durch die steigende Wohnungsnot in gewissen Kantonen, sehen sie sich gezwungen, in Wohnungen einzuziehen, deren Miete eigentlich zu hoch ist. Einmal den Mietvertrag unterschrieben, wissen viele nicht, dass es Möglichkeiten gibt, sich in der Anfangszeit gegen zu hohe Mietzinsen zu wehren. «Es ist wichtig, dass Mieterinnen und Mieter ihre Möglichkeiten kennen und wissen, worauf sie sich stützen können», sagt Roman Schister.
Wer den Anfangsmietzins anfechten will, kann dies bei der zuständigen Schlichtungsbehörde tun. Ab dem Tag der Schlüsselübergabe hat die Mieterin oder der Mieter jedoch nur 30 Tage Zeit, um das Verfahren zu lancieren. Erfolgreich ist eine Anfechtung aber nicht in jedem Fall. «Laut Artikel 270 des Obligationenrechts müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Anfechtung verlangt werden kann», sagt Schister.
Konkret muss eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Bei der letzten Variante gibt es in der Praxis jedoch eine grosse Schwierigkeit. Denn die vermietende Partei ist in vielen Kantonen nicht verpflichtet, den vorherigen Mietzins von sich aus offenzulegen. Nur wenn in einem Kanton oder einem Teil davon eine Wohnungsknappheit besteht und eine sogenannte Formularpflicht eingeführt wurde, muss die Vermieterin oder der Vermieter den Mietzins der Vormieterin oder des Vormieters aktiv kommunizieren. Eine solche Pflicht besteht derzeit etwa in Zürich oder Genf. «Man muss aber auch realistisch bleiben: In einer Region, in der Wohnungsknappheit herrscht, sind die meisten Personen froh, überhaupt eine Wohnung gefunden zu haben, und sie sind auch bereit, einen höheren Mietzins zu zahlen – unabhängig von der Miete der Vorgängerin oder des Vorgängers», sagt der Kursleiter CAS Immobilienrecht. Auch werden in der Praxis Anfangsmietzinse nicht häufig angefochten, obwohl das Verfahren dazu verhältnismässig zugänglich ausgestaltet ist.
In einer Region, in der Wohnungsknappheit herrscht, sind die meisten Personen froh, überhaupt eine Wohnung gefunden zu haben, und sie sind auch bereit, einen höheren Mietzins zu zahlen.
Roman Schister
Kursleiter CAS Immobilienrecht an der OST
Wenn eine der oben genannten Voraussetzungen zutrifft, kann der Mietzins vor der Schlichtungsbehörde angefochten werden. Diese Behörde ist paritätisch besetzt. Das heisst, es sind sowohl Personen des Mieter- als auch des Hauseigentümerverbands vertreten. Die Aufgabe der Behörde ist es, festzustellen, ob der Mietzins tatsächlich missbräuchlich ist. Dieses Verfahren ist für beide Parteien kostenlos, solange es bei der Schlichtungsbehörde bleibt und nicht vor Gericht geht. «Die Schlichtungsbehörden arbeiten äusserst erfolgreich. Im Jahr 2024 konnten im Kanton St. Gallen rund 79% aller vorgetragenen Fälle im Schlichtungsverfahren abgeschlossen werden. Das heisst, die Parteien konnten sich aussergerichtlich einigen», sagt Schister.
Die Klärung, ob tatsächlich ein missbräuchlicher Mietzins vorliegt, ist hingegen eher komplex. So hängt die Berechnungsmethode etwa davon ab, wie alt eine Liegenschaft ist. Schister dazu: «Ganz vereinfacht gesagt muss bei neueren Wohnungen von der Schlichtungsbehörde geprüft werden, ob die Vermieterin oder der Vermieter mit der Liegenschaft im Vergleich zu den Kosten eine übermässige Rendite erzielt. Bei älteren Gebäuden prüft man hingegen, ob der Mietzins im Vergleich zu ähnlichen Mietobjekten in der Umgebung angemessen ist.»
Wenn die 30-tägige Schutzfrist verstrichen ist, gibt es für Mieterinnen und Mieter wenig Spielraum, den Mietzins anzufechten oder nachträglich zu ändern. Grundsätzlich gilt der Anfangsmietzins dann als genehmigt.
Eine Anpassung des Mietzinses kann jedoch beantragt werden, wenn der Referenzzinssatz erhöht oder gesenkt wird. Beispielsweise, als dieser am 1. September 2025 wieder auf 1.25% heruntergesetzt wurde.
Wenn der Referenzzinssatz um 0.25% gesenkt wird, können Mieterinnen und Mieter eine Senkung ihrer Miete um 2.91% verlangen. Bei einer Erhöhung von 0.25% des Referenzzinssatzes können Vermieterinnen und Vermieter hingegen die Miete um bis zu 3% erhöhen. Dies immer auf den nächstmöglichen Kündigungstermin. Das Bundesamt für Wohnungswesen BWO bietet eine generelle Übersicht über die rechtlichen Regelungen bezüglich des Mietzinses und wie dieser festgelegt wird. Der Schweizerische Hauseigentümerverband (HEV) stellt auf seiner Webseite einen Mietzinsrechner zur Verfügung, mit dem die Mietzinsanpassung berechnet werden kann.
«Mieterinnen und Mieter sollten nicht vergessen, dass Vermieterinnen und Vermieter auch nur Menschen sind und meist keine bösen Absichten haben», sagt Roman Schister. Wenn man mit der Wohnung oder dem Mietzins ein Problem habe, oder sich gar in einer Situation befinde, in der man die Miete nicht mehr zahlen könne, sei es ratsam, auf die vermietende Partei zuzugehen und das Gespräch zu suchen. «Vieles lässt sich durch Offenheit und ein persönliches Gespräch bereits lösen.»
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