«Glück fängt bei uns selbst an»

Prof. Dr. Sebastian Wörwag
Rektor | FHS St.Gallen
  • 04.06.2020
  • 2 min
Haben Sie heute Glück gehabt? Eine Unachtsamkeit hatte zum Glück keine gravierenden Folgen, ein Ereignis ist glücklicherweise so oder anders eingetreten, und mit gutem Glück haben Sie sich nicht mit dem Coronavirus angesteckt?

In diesen Situationen haben wir Glück, als wäre es ein geschenktes Gut. Glück zu haben, bedeutet aber noch nicht, dass man deshalb auch glücklich ist. Haben oder Sein? – Die Frage stellt sich auch beim Glück. Natürlich hilft einem das zufällige Glück, sich im Moment glücklich zu fühlen: Der Jackpot im Lotto, eine schöne Überraschung in der Familie und mit Freunden, das alles schafft Glücksmomente. Doch auf das Glück im Augenblick zu zählen, ist gefährlich. Das wusste schon Goethes Faust, als er die Schicksalswette mit Mephistopheles einging: «Werd ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, du bist so schön! Dann magst du mich in Fesseln schlagen. Dann will ich gern zugrunde gehn!» Wenn also Glück mehr sein soll, als was wir haben oder im Augenblick verspüren, was ist es dann? Aristoteles fordert uns zum Glücklichsein mit einem einfachen Rat auf: Tätiges Sein. Mit dem Ziel der Vollendung der Seele in einem gelingenden Leben. Er nennt das Eudaimonie, Glückseligkeit. Das ist mehr als ein Zustand, das ist eine Haltung. Eine Aufforderung zum bewussten Tätigsein, wie auch zur Demut, das Glück nicht erzwingen zu wollen und die Fähigkeit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Glück fängt bei uns selbst an, wenn wir uns selbst genügen, statt das Glück im Umfeld zu erhoffen. Es fördert ein Streben nach dem Guten um seiner selbst willen. Dieses Glück vergeht auch nicht, wenn man einmal Pech hat. Vielleicht erinnern wir uns daran, bevor wir das nächste Mal noch einmal Glück gehabt haben werden.

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