Berufseinstieg Praktikum – dies gilt es zu beachten

Für viele ist es der Berufseinstieg der Wahl. Um in der Berufswelt Fuss zu fassen, führt teilweise kein Weg am Praktikum vorbei. Manchmal ist es auch eine willkommene Annäherung an eine Branche. Was gilt es zu beachten? Eine Einordnung.

In den Nullerjahren wurde in Deutschland ein Begriff geprägt, der bis heute vielen potenziellen Berufseinsteigern Kopfzerbrechen bereitet: «Generation Praktikum» beschreibt eine Entwicklung, wonach Hochschul-Absolvent:innen auf der Suche nach einer Festanstellung eine Praktikumsstelle an die nächste reihen. Unternehmen nützen das Überangebot an Nachwuchsfachkräften ihrerseits aus und beschäftigen diese zu schlechten Konditionen, ohne die Absicht, eine Feststelle anzubieten. 

 

Die gute Nachricht: Das beschriebene Szenario scheint mehr ein Problem in Nachbarländern wie etwa Deutschland oder Italien zu sein. In der Schweiz kennt man es kaum. «Was man mitbekommt, haben Absolvent:innen hier durch den Fachkräftemangel nicht so schlechte Karten», sagt Richard Hefti, Leiter Studien- und Laufbahnberatung bei der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. Diese Aussage stützt auch Roland Schmid, selbstständiger Coach und Mentor mit HWV-Ausbildung: «Es mag auch hier schwarze Schafe geben, aber ein Ausnutzen junger Fachkräfte in diesem Ausmass gibt es hier nicht.» In der Schweiz sei das Praktikumswesen klarer geregelt. 

 

WO DAS PRAKTIKUM KAUM VERMEIDBAR IST

Bekanntlich ist es sehr von der Branche abhängig, wo Fachkräftemangel herrscht und wo nicht. So gibt es durchaus auch in der Schweiz attraktive Berufsbilder, wo das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften, die frisch von der Fachhochschule kommen, die Nachfrage aus der Wirtschaft übersteigt. In der Architektur sind Praktika an der Tagesordnung, ebenso in der Kommunikations- und Medienbranche sowie in Kreativberufen wie Design und Grafik oder der Kulturszene. Hier ortet Hefti auch die grösste Gefahr, dass Praktika Feststellen ersetzen würden: «In Feldern, wo die wirtschaftliche Situation oft prekär ist, passiert dies sicher mehr als in Industriebetrieben oder der Finanzwirtschaft.»

 

FH-Absolvent:innen hätten es – natürlich hängt es auch hier stark von der Branche ab – tendenziell leichter, den direkten Berufseinstieg zu schaffen als Uni-Abgänger. «Wer von einer FH kommt, hat in der Regel bereits Arbeitserfahrung über einen Lehrabschluss oder ein Praktikum gesammelt», so Hefti. Dazu empfiehlt er, den Suchradius auszuweiten. «Manchmal ist es vielleicht angezeigt, die eigenen Ansprüche etwas anzupassen und zum Beispiel etwas mobiler zu sein», erklärt Hefti. «Wenn man als Städter den eigenen Ballungsraum verlässt und sich in einem etwas weiteren Umfeld umsieht, werden die Chancen erweitert, eine passende Stelle zu finden.» Zumindest für gewisse Branchen dürfte dies ein wertvoller Ratschlag sein.

 

NICHT PER SE ETWAS SCHLECHTES

Gleichzeitig soll dieser Beitrag nicht dazu dienen, Praktika allgemein zu verteufeln. Für Roland Schmid sind sie grundsätzlich nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil: «Ich finde es eine gute Sache, gerade wenn man unsicher ist, was man möchte.» Man könne ohne zu viel Verantwortung in einen Beruf reinkommen. «Man lernt einen Job kennen, den Umgang in der Branche, den Stallgeruch.» Und es diene, um herauszufinden, wo die eigenen Stärken oder Schwächen liegen. Schmid kennt gute Beispiele aus dem Tourismus: «Dort lohnt es sich, mit kürzeren Einsätzen herauszufinden, ob man eher ins Reisebüro passt, ins Hotel oder zur Airline.» Andere würden wiederum mit einem Praktikum zwischen dem Bachelor- und dem Masterstudium ein Jahr Arbeitserfahrung sammeln. Schmid kennt auch eine junge Frau, die ein Winterpraktikum in einem Hotel in den ­Bergen gemacht hat, weil sie leidenschaftlich gerne Wintersport treibt. «Es gibt viele gute Gründe für ein Praktikum. Und ich sehe immer wieder auch, wie Praktikant:innen nach einem Wechsel in der Firma in eine Festanstellung nachrücken.»

 

Auch Richard Hefti hebt die Vorteile hervor: «Nach einem Praktikum ist man kein unbeschriebenes Blatt mehr. Es rundet das Gesamtbild ab und ist mehr, als ‹nur› die Abschlussnoten einer FH.» Und gerade in bekannten Grossunternehmen würden gut strukturierte Praktikumsstellen angeboten, die im Sinne der Nachwuchsförderung gestaltet seien. Hier gäbe es zumeist auch die Aussicht, danach weiter angestellt zu werden.

 

WIE LANGE DAUERT EIN PRAKTIKUM IDEALERWEISE?

Natürlich gibt es dafür keine Faustregel. «Drei Monate sind sehr kurz, da muss sich der Praktikant bereits zu Beginn nach einer Anschlusslösung umsehen», so Hefti. In dieser Zeit sei es auch schwierig, echte Arbeitserfahrung zu sammeln. Geht es aber nur darum, Einblicke in eine Branche oder einen Bereich zu erhalten, können drei Monate ausreichend sein, wie Roland Schmid anmerkt. Dazu passt das bereits erwähnte Beispiel aus dem Tourismus. «Es muss sich einfach für beide Seiten lohnen.» 

Dennoch dürfte der grösste Nutzen wohl irgendwo im Bereich von sechs Monaten bis einem Jahr liegen. In dieser Zeit können die Ziele beiderseits erreicht werden: Die Praktikantin kennt den Betrieb und weiss, ob das etwas für sie ist. Der Arbeitgeber hat die Option, bei Bedarf eine gut eingearbeitete Arbeitskraft, die den Betrieb kennt, einzustellen. Und ein Arbeitszeugnis für die Zeit des Praktikums hat auch eine gewisse Aussagekraft.

 

CHANCE STARTUP

Ein durchaus interessantes Feld für Praktika sieht Richard Hefti bei den Startups: «Mit einer Portion Offenheit und Flexibilität kann man in einem Startup spannende Erkenntnisse gewinnen; und in diesem sehr agilen und dynamischen Umfeld Arbeitserfahrung zu sammeln, ist sicher sehr viel relevanter als die Höhe des Lohns.» Oft seien denn auch Startup-Jobs zwar nicht gut bezahlt, dennoch begehrt. Schliesslich lockt das Flair von Pioniergeist und junger Ambition. «Für einen zukünftigen Arbeitgeber kann das interessant sein», so Hefti.

 

DIE FRAGE DES LOHNS

Im Praktikum spielt er zwar eine zu vernachlässigende Rolle, denn erst einmal zählt die Arbeitserfahrung. Dennoch ist auch der Lohn ein Faktor. «Je tiefer der Lohn, desto eher stellt sich die Frage, was der oder die Praktikant:in für sich mitnehmen kann», sagt Hefti. Sind es wertvolle Erfahrungen oder ist es das «Label» der Firma, das im Lebenslauf einen guten Eindruck hinterlässt? Ja nachdem kann es auch das Netzwerk sein, das sich über ein Praktikum erschliesst und sich längerfristig auszahlt.

 

Doch sollen hier zum Schluss auch noch ein paar harte Fakten geschaffen werden. So empfiehlt der Kaufmännische Verband Schweiz (KFMV) folgende Ansätze (Monatslöhne):

Praktikum während der Handelsschule
   (mit EFZ, Modell 2+1):                    1480.–

Für Praktika während oder nach dem Studium

•  Im ersten Studienjahr (Bachelor):    1850.–

•  Im zweiten Studienjahr (Bachelor):  2050.–

•  Im dritten Studienjahr (Bachelor):    2250.–

•  Abgeschlossenes Bachelorstudium: 2500.–

•  Abgeschlossenes Masterstudium:   3300.–

Praktika fĂĽr Wiedereinsteiger:innen

•  1. bis 3. Monat                               2500.–

•  4. bis 6. Monat                               3300.–

 

 

Dieser Beitrag ist als Erstpublikation im INLINE November 2021 erschienen.

Kommentare