Wenn traditionelles Holzhandwerk auf FH-Wissen trifft

  • 26.10.2025
  • 9 min
Nadja Riedweg hat bereits als Kind im Keller mit Holz herumgewerkelt und sich die Finger blutig geschnitten. Ihre Leidenschaft machte sie zu ihrem Beruf und hat sich mit ihrem Partner auf Holzschindeln spezialisiert. Sie trägt dazu bei, dass diese faszinierende Nische wächst und sich das Handwerk weiterentwickelt.


Man kennt sie gut von den Fassaden traditioneller Bauernhäuser. Die Rede ist von der Holzschindel, die nebst Fassaden auch für Dächer verwendet wurde und wird. Modern interpretiert, findet sie auch immer mehr Eingang in die moderne Holzarchitektur. In diesem Segment positioniert sich auch NIKI HolzSchindeln, ein kleiner Zwei-Frau-Mann-Betrieb im bernischen Kiesen. Nadja Riedweg ist Co-Inhaberin, zusammen mit ihrem Partner Niki Wüthrich, seines Zeichens Fassadenbauer. An der BFH hat Nadja sich zur Holzingenieurin ausbilden lassen, vom «Holz-Virus» ist sie aber schon seit der Kindheit befallen.

Erlebt die Schindel ein Revival?

Diesen Eindruck haben wir auf alle Fälle. Einen Teil unserer Arbeit machen zwar Sanierungen denkmalgeschützter Häuser aus. Dieser Teil hängt von keinem Trend ab. Aber wir stellen fest, dass sich auch Architekten immer häufiger mit nachhaltigen Materialien und Kreislaufwirtschaft auseinandersetzen. Gleichzeitig werden sie als architektonisches Element entdeckt. Die Nachfrage steigt entsprechend, wir erhalten immer mehr Anfragen. Aber wir reden noch immer von einer ganz, ganz kleinen Nische innerhalb der Holzbausparte.

Und wer setzt bei den Bauherren auf diese Nische, ausser die Denkmalpflege?

Einerseits sind das private und institutionelle Bauherren, immer öfter auch für grössere Überbauungen. Oftmals ist es auch die öffentliche Hand, also Gemeinden, wie zum Beispiel mit Schulhausprojekten. Wenn wir dann Holz aus dem gemeindeeigenen Wald verwenden können, ist das natürlich sehr interessant für beide Seiten.

Wo liegen die Vorteile von Holzschindeln?

Sie können sehr vielseitig verwendet werden, sowohl für Fassaden als auch Dächer. Ein sehr grosser Vorteil aber, über den praktisch alle staunen, ist die Langlebigkeit. Wir haben neulich ein Haus saniert mit 250 Jahre alten Schindeln. Und wir mussten nur einen Teil davon ganz auswechseln. Auf Dächern ist die Lebensdauer natürlich kürzer. Gerade bei handgespaltenen Schindeln ist die Qualität hervorragend, da diese entlang der Faserstruktur geteilt werden und dadurch sehr beständig sind. Im Vergleich zu anderen Materialien hat Holz zudem eine viel bessere Energiebilanz, erst recht, wenn es aus der Schweiz stammt. Und modern interpretiert, kann man mit Schindeln spannende architektonische Akzente setzen.

«Wir möchten die Technik weiterentwickeln. Deshalb arbeiten wir auch daran, ein Projekt zusammen mit der BFH umzusetzen.»

 

 

Wie hast du diese Nische fĂĽr dich entdeckt?

Natürlich über meinen beruflichen Weg, der ab Beginn mit Holz zu tun hatte. Mein Partner hat sich als Fassadenbauer vor fünf Jahren selbstständig gemacht. Seine Leidenschaft galt auch schon lange den Holzschindelverkleidungen. Und so haben wir gemeinsam entschieden, auf Holzschindeln zu setzen, und haben uns in der Folge spezialisiert. Aktiv in der Firma tätig geworden bin ich erst vor eineinhalb Jahren, als mein Partner aufgrund der guten Auftragslage erweitern musste. An der Firma zur Hälfte beteiligt war ich bereits seit der Gründung.

Wächst euer Unternehmen weiter?

Die Aufträge nehmen zu. Bereits heute setzen wir zwei temporäre Mitarbeitende bei grösseren Projekten auf der Baustelle ein. Geschnittene Schindeln kaufen wir ein. Wenn wir eigene, handgespaltene Schindeln herstellen, greifen wir dazu auf drei Mitarbeitende zurück. Es ist absehbar, dass wir weitere Mitarbeitende fix werden einstellen werden.


Du hast den eher ungewöhnlichen Weg zur Holzingenieurin und an die FH gefunden, nämlich via Gymi. Erzähl, wie es dazu kam.

Am Werkstoff Holz hatte ich schon immer grosse Freude. Im Keller hatten wir eine Werkbank, an der ich bereits als kleines Kind mit Holz arbeitete und bastelte. Meine Mutter mag sich gut erinnern, dass ich immer wieder mit zerschnittenen Händen heraufkam. Nach dem Gymi wollte ich dann ein Jahr praktisch arbeiten, ich hatte zudem bereits die Möglichkeit gesehen, an der BFH in Biel ein Studium als Holzingenieurin zu machen. Also suchte ich eine Schreinerei für ein Praktikum. Als Gymi-Absolventin und Frau war das gar nicht so einfach. Danach ging’s direkt nach Biel, mit Vertiefung in Produktmanagement.

Danach hast du erst einmal vor allem im Marketingbereich und in der Kundenberatung gearbeitet. Wie vermarktet man Holzschindeln?

Allgemein hat Holz als Material sehr viele positive Eigenschaften, die wir stets betonen: die Natürlichkeit, die Erneuerbarkeit, das Lokale. Mit unseren Schindeln positionieren wir uns ganz klar als Experten für Denkmalgeschütztes und für Architekten, die Neues mit einem hohen Anspruch bauen. Qualität ist für uns dabei absolut zentral. Als kleine Firma müssen wir dabei praktisch ohne Marketingbudget arbeiten. Wir nutzen also vor allem Gratismittel, schicken potenziellen Kunden Flyer oder legen sie in Briefkästen. Natürlich nutzen wir die sozialen Medien, gerade auch um Architekten zu erreichen.

Müsst ihr auch Aufklärung betreiben?

Durchaus, denn es gibt viele Missverständnisse. Speziell in Bezug auf die Langlebigkeit. Besonders bei qualitativ hochwertigen, handgespaltenen Schindeln, eventuell sogar noch mit natürlichem Leinöl behandelt, können wir Bauherren locker eine Lebensdauer von 80 bis 100 Jahren garantieren.

Trifft man dich ausser im BĂĽro auch mal an einer Fassade oder auf einem Dach an?

Ja, eigentlich mehrheitlich! Da wir ein so kleines Unternehmen sind, ist das nicht anders möglich. Und ich finde es cool, dass ich beides kombinieren kann. An einem normalen Tag bin ich vielleicht zwei bis drei Stunden im Büro. Dann gehe ich auf die Baustelle. Kleinere Projekte schafft mein Partner teilweise allein, doch meistens helfe ich mit.

Gibt es innovative Ansätze in eurem Handwerk?

Wir möchten die Technik weiterentwickeln. Deshalb arbeiten wir auch daran, ein Projekt zusammen mit der BFH umzusetzen für eine Automatisierung der Produktion bei gleichbleibender Qualität. In der Fertigung sollte es unserer Meinung nach Möglichkeiten geben. Bei der Montage aber bleibt es eine komplexe Handarbeit, die viel Wissen erfordert, beispielsweise auch hinsichtlich der Jahreszeiten.

Habt ihr ein ĂĽbergeordnetes Ziel?

Wichtig ist uns, nicht stehen zu bleiben. Es gibt die Traditionalisten, die das Handwerk mit einer Charta in der ursprünglichen Form bewahren. Andere gehen in die entgegengesetzte Richtung und holen das Holz möglichst günstig aus dem Ausland, was nicht unserem Anspruch an Qualität und Nachhaltigkeit entspricht. Wir möchten das Handwerk sorgfältig weiterentwickeln, kreativer, aber auch wirtschaftlicher werden. Denn Schindeln sind nach wie vor teurer als herkömmliche Fassaden. Die Qualität bleibt dabei unser höchstes Gebot.

Wo liegt die Zukunft der Holzschindeln?

Es wird sicher nicht dazu kommen, dass Holzgebäude mehrheitlich geschindelt werden. Ich glaube aber daran, dass unsere Nische noch deutlich wachsen kann. Schindeln werden immer mehr als modernes und nachhaltiges Fassadenmaterial erkannt. Genau dies möchten wir auch vermitteln. Zudem haben wir ein Projekt mit einem Malergeschäft am Laufen für Naturfarben, was neue Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Zusammen mit den vielfältigen Schnitten, die möglich sind, gibt es unterschiedlichste Designs, mit denen man in der modernen Architektur Akzente setzen kann.



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