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Die hier vorgestellte Masterarbeit wurde vom SBAP ausgezeichnet. Der Berufsverband verleiht den Preis für Masterarbeiten für herausragende Arbeiten im konsekutiven Masterstudiengang am Departement Angewandte Psychologie. Pro Vertiefungsrichtung (A+O, KlinP, E+P) wird an der Diplomfeier jährlich je ein Preis vergeben. Die drei gleichwertigen Preise gehen an innovative angewandt-psychologische Masterarbeiten, die Neues explorieren und noch wenig bearbeitete Fragestellungen der Angewandten Psychologie thematisieren. Die ausgezeichneten Arbeiten werden im Punktum von den Autor:innen vorgestellt.
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Wissenschaftliche Texte dienen dem Austausch von Erkenntnissen, ihre Verschriftlichung ist jedoch häufig herausfordernd, da komplexe Inhalte vermittelt werden müssen. Verschiedene Organisationen – etwa die American Psychological Association – bieten hierzu Richtlinien an. Im Rahmen eines Studiums wird die Darstellung von Erkenntnissen in einem wissenschaftlichen Text innerhalb von Abschlussarbeiten (zum Beispiel Masterarbeiten) geübt. Studierende lernen dabei, eigene Daten und Erkenntnisse schriftlich darzustellen und mit bestehender Literatur zu verknüpfen.
Der Schreibprozess während einer Abschlussarbeit verläuft nicht immer linear und stellt hohe Anforderungen an Selbstständigkeit – ein deutlicher Unterschied zur klaren Struktur eines Studiums (Ylijoki 2001). Abschlussarbeiten werden von Fachpersonen – etwa von Dozierenden – betreut und beurteilt. Die Studierenden wiederum tragen Eigenverantwortung für ihre Arbeit, sollen die Betreuung aktiv nutzen und müssen gegebenenfalls ihre Ergebnisse präsentieren. Nur bei beidseitiger Aufgabenerfüllung kann eine stressarme, erfolgreiche Arbeit gelingen (Samac et al. 2009).
Abschlussarbeiten dienen vorrangig dem Nachweis von Fach- und Methodenkompetenzen, durch die weitgehend eigenständige Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragestellung. Gefordert sind dabei wissenschaftliche Methoden wie Analyse, Systematisieren, Paraphrasieren, Interpretieren (Samac et al. 2009). Die Abschlussarbeiten sollen eine Verbindung zwischen den Studierenden und der wissenschaftlichen Welt schaffen. Dabei vollziehen Studierende einen Rollenwechsel – vom reinen Wissenskonsum zur aktiven (Re-)Produktion. Es bedarf einer hohen Selbstständigkeit (zum Beispiel durch Recherche, Datenauswertung, Informationszusammenfassung), wissenschaftliche Texte zu verfassen, was wiederum eine schwierige oder entmutigende Aufgabe sein kann. Die Erstellung einer Abschlussarbeit erfordert eine neue Denkweise, fördert kritisches Denken und den Erwerb zentraler wissenschaftlicher Fähigkeiten (Ylijoki 2001).
Diese Masterarbeit untersuchte das Erleben von Studierenden bei ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit. Ziel war die Identifizierung von Herausforderungen und Ressourcen sowie daraus die Bestimmung möglicher Unterstützungsmassnahmen. Darüber hinaus sollten Schlüsselphasen im Prozess der wissenschaftlichen Arbeitserstellung aufgezeigt werden, und sie sollte als Anstoss für weitere Forschung dienen. Die Forschungsfrage lautete: Wie erleben Studierende die Erstellung ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit?
Als Methode für diese Masterarbeit wurde ein qualitatives Forschungsdesign gewählt, um das Erleben der Studierenden in den Mittelpunkt zu stellen. Dafür kamen narrative Interviews in Kombination mit der Zeitleiste nach Marshall (2019) zum Einsatz. Zehn Bachelorstudierende der Angewandten Psychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften wurden zu ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit befragt. Die Interviews wurden transkribiert und mittels thematischer Analyse nach Braun und Clarke (2006) ausgewertet.
Die thematische Analyse ergab sechs zentrale Themen: 1. Schlüsselmomente (wie Abgabe); 2. Herausforderungen (wie Zeitmanagement); c) Ressourcen (wie Lernveranstaltungen); d) Weiterentwicklung (wie Selbsterkenntnisse); e) Ratschläge für Mitstudierende und f) Wünsche hinsichtlich Unterstützung. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse vorgestellt; weiterführende Informationen sind auf Anfrage erhältlich.
Die erfolgreiche Bewältigung von Herausforderungen ermöglichte den Studierenden persönliche und fachliche Entwicklung, etwa im Umgang mit wissenschaftlicher Literatur. Der Schreibstil stellte trotz vorbereitender Kurse eine Hürde dar. Wurde diese bewältigt, erlebten die Studierenden ein Gefühl von Selbstwirksamkeit – besonders sichtbar wurde dies durch den Fortschritt des Textes, beispielsweise durch die wachsende Seitenzahl. Dieses Erleben stärkte die Leistungsbereitschaft und förderte die Motivation.
Sowohl intrinsische als auch extrinsische Motivation wirkten sich positiv auf den Arbeitsprozess aus. Eine stärkere Fokussierung auf den Lerngewinn mit Aussagen wie «Ich schreibe diese Arbeit als Vorbereitung für meine Bachelorarbeit», könnte die Motivation zusätzlich fördern. Bei extrinsischer Motivation ist jedoch Vorsicht geboten: Übermässiger Leistungsdruck kann die intrinsische Motivation schwächen und zu Prokrastination führen.
Das Zeitmanagement stellte eine zentrale Herausforderung dar, da vielen Studierenden die Erfahrung im Planen und Strukturieren einer Abschlussarbeit fehlte. Der Aufwand, etwa für die Literaturrecherche und deren Verständnis, wurde oft unterschätzt, was wiederum Zeitverzug verursachte. Schwierigkeiten zeigten sich auch bei der Priorisierung von Aufgaben und dem Umgang mit Perfektionismus (Schramm-Possinger, Powers 2015). Ein effektives Zeitmanagement ist jedoch essenziell für Leistung, Erfolg und Stressreduktion (Aeon et al. 2021). Daher sollte es frühzeitig thematisiert werden – etwa durch gemeinsame Zeitplanbesprechungen mit Betreuungspersonen oder in Intervisionen.
Eine vertrauensvolle und unterstützende Beziehung zur Betreuungsperson wirkte sich positiv auf die Erstellung der Abschlussarbeit aus. Sie förderte sowohl den Lernerfolg als auch die Motivation und Freude am Arbeiten (De Kleijn et al. 2014). Voraussetzung dafür ist, dass alle Beteiligten aktiv zu einer guten Beziehung beitragen.
Fehlendes oder unklar formuliertes Feedback stellte eine grosse Herausforderung dar. Wenn jedoch konstruktives, individuell angepasstes Feedback gegeben wurde, erlebten es die Studierenden als wertvolle Orientierung. Pauschale Aussagen wie «Der Text ist gut» wurden hingegen als wenig hilfreich empfunden. Gleichzeitig sind hierbei die zeitlichen Ressourcen der Betreuungspersonen zu berücksichtigen.
Auch der Umgang mit Ambiguität, also dem Spannungsfeld zwischen Perfektion und Umsetzbarkeit, fiel den Studierenden schwer. Perfektionismus – besonders bei der ersten wissenschaftlichen Arbeit – führte häufig zu Stress und Leistungsabfall (Schramm-Possinger, Powers 2015). Die Vermittlung von Strategien im Umgang mit Ambiguität könnte eine mögliche Unterstützung für die Studierenden bieten.
Studierende erlebten bei ihrer ersten wissenschaftlichen Arbeit vielfältige Herausforderungen, nahmen jedoch auch Ressourcen wahr und entwickelten sich fachlich sowie persönlich weiter. Sie äusserten den Wunsch nach Veränderungen auf institutioneller und betreuender Ebene. Eine ganzheitliche Unterstützung – inklusive förderlicher Beziehungen – könnte dazu beitragen, Herausforderungen besser zu bewältigen und die Erfolgschancen der Studierenden zu steigern.
Julia Brömmer begann ihre Laufbahn als Fachfrau Gesundheit und schloss im September 2024 das Studium in Angewandter Psychologie an der ZHAW ab.
Im Januar 2025 nahm sie das MAS-Studium in Humanistischer Psychotherapie an der Universität Basel auf. Bis Juni 2025 arbeitete sie in einer Klinik für Suchterkrankungen und Traumafolgestörungen.
Seit September 2025 ist sie als Assistenzpsychologin in der stationären Forensik tätig.
Der Schweizerische Berufsverband für Angewandte Psychologie gibt Psychologinnen und Psychologen in diesem Land eine starke Stimme. Sie profitieren von den Aktivitäten für eine gute Bildung, eine starke Interessensvertretung in der Politik und für ein Qualitätslabel, welches für seriöse, wissenschaftlich fundierte und praktisch erprobte psychologische Leistungen steht.<
Nächster Anlass beim SBAP
30.11.2025 - Supervision fĂĽr BerufseinsteigendeÂ
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