Promovieren an der Fachhochschule: Forschen und dennoch nah an der Praxis bleiben

Gizem Yilmaz & Ann-Katrin Kienle
Wissenschaftliche Mitarbeiterin | Fachhochschule Graubünden
  • 09.03.2021
  • 5 min
Wir, Ann-Katrin und Gizem, promovieren an der FH Graubünden und arbeiten in Forschungsprojekten der Hochschule mit. Hier erzählen wir euch von unseren Erfahrungen, wie die Arbeit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin aussieht und was es heisst, an einer Fachhochschule zu promovieren.

Ann-Katrin Kienle:

Seit der Bologna-Reform sind Fachhochschulen und Universitäten bei der Bildung gleichgestellt. Das Promotions- und Habilitationsrecht obliegt jedoch in der Regel weiterhin den Universitäten. Um an einer Fachhochschule promovieren zu können, muss man folglich eine Kooperation mit einer Universität eingehen. In der Stellenbeschreibung, die ausschlaggebend für meine Bewerbung war, hat die FH Graubünden sogar schon angemerkt, dass sie dies unterstützen würde.

 

Nach meinem Masterabschluss habe ich Berufserfahrung in der prüfungsnahen Beratung sammeln können. Obwohl mir die Arbeit Spass gemacht hat, spielte ich immer wieder mit dem Gedanken noch zu promovieren. Gerade der Bereich Verhaltensökonomik hatte mein Interesse geweckt. Passenderweise hatte die Fachhochschule Graubünden eine Stelle ausgeschrieben, die genau meinen Anforderungen entsprach. Mir haben sowohl das Thema und die wirtschaftspolitischen Fragestellungen als auch die Methodik sofort gefallen. Mir war bewusst, dass die Fachhochschule Graubünden kein Promotionsrecht besass, wir konnten jedoch zeitnah für mein Projekt die Universität St. Gallen gewinnen, an der ich nun Doktoratsstudentin bin.

 

Durch mein Doktoratsprogramm bin ich an einigen Tagen im Jahr an der Universität St. Gallen. Die meiste Zeit verbringe ich jedoch in Chur an der Fachhochschule Graubünden. Hier besteht meine Arbeit sowohl aus meinem Projekt als auch aus Aufgaben für die Fachhochschule. Abwechslung bringen ausserdem Konferenzen oder Summer Schools, die dabei helfen auf dem neusten Stand zu bleiben und ein gutes Netzwerk aufzubauen. Es ist durch die heutige Technik einfacher als je zuvor an zwei Orten beziehungsweise zwei Kantonen gleichzeitig tätig zu sein und doch mit internationalen Forschern zusammenzuarbeiten.

 

Drei Tipps von mir für angehende Doktoranden:

Erstens brenne für dein Thema! Man sitzt mehrere Jahre an derselben Fragestellung, da ist es wichtig, dass man seine Arbeit und die Thematik spannend findet. Zweitens sind gutes Zeitmanagement und Netzwerke gerade für externe Promovierende enorm hilfreich. Und zu guter Letzt: Traue dich, wenn du das wirklich möchtest. 

 

 

Gizem Yilmaz:

Als ich Ende 2019 auf der Suche nach einer neuen Stelle war, musste ich mich zwischen einem Job in der freien Wirtschaft und einer akademischen Laufbahn entscheiden – ich habe mich für die FH Graubünden entschieden. Am Institut für Multimedia Production habe ich die Möglichkeit, mein Kommunikations- und Marketingwissen mit multimedialen Fähigkeiten zu kombinieren.

 

Mein Arbeitsalltag ist sehr vielseitig. Mit jedem Projekt vertiefe ich mich in ein neues Thema. Mal unterstütze ich die Studienleitung in Sachen Lehre, mal führe ich Interviews für ein Forschungsprojekt durch oder nehme an Konferenzen teil. Oder ich stehe als Hauptdarstellerin vor der Kamera, sitze für eine Tonaufnahme im Studio oder organisiere eine Projektwoche. Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass man die Möglichkeit hat, mit sehr interessanten Partnern zusammenzuarbeiten, und somit sein eigenes Netzwerk erweitern kann. Auf diese Weise lernt man nicht nur extern, sondern auch intern viele neue Leute kennen. Auch mit den Studierenden sind wir in verschiedenen Projekten in engem Kontakt.

 

Neben dieser alltäglichen Arbeit eine Promotion zu machen und dabei intern unterstützt zu werden, sehe ich als hervorragende Chance, mich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Die Promotion war für mich immer eine Option für die Zukunft – allerdings eher für die ferne Zukunft. Als ich die Ausschreibung an der FH Graubünden sah, konnte ich jedoch nicht widerstehen, weil für mich alles so gut gepasst hat.

 

In meiner Promotion bin ich noch nicht so weit wie Ann-Katrin, ich stehe noch ziemlich am Anfang des ganzen Prozesses. Aktuell arbeite ich mein Thema aus, recherchiere fleissig und versuche bereits jetzt wichtige Kontakte zu knüpfen, denn «networking is king».

 

Mein Tipp für Doktoratsinteressierte:

Das Wichtigste an der Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin ist das organisierte und strukturierte Arbeiten, damit man den Überblick nicht verliert und sich genug Zeit einplanen kann, insbesondere im Hinblick auf die Promotion.

 

 

Unser Fazit:

Die Option eines Doktorats an einer Fachhochschule ist geeignet für die, die forschen und gleichzeitig nah an der Praxis bleiben wollen. So muss man sich auch noch nicht zwischen einer Laufbahn in der Wissenschaft oder Wirtschaft entscheiden – im Gegenteil, man ist nahe an beiden Bereichen.

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