Mein Treffen mit dem sympathischsten Menschen der Welt

Leandro Huber
Student ZHAW Präsident VSZHAW
  • 13.12.2018
  • 5 min
Am 24.9.2018 besuchte der Dalai Lama die ZHAW. Leandro Huber, Präsident des VSZHAW, sass auf dem Podium direkt neben Seiner Heiligkeit. Hier seine Eindrücke.

Nervosität – ein Gefühl, das ich als solches eigentlich nicht allzu oft spüre – überkommt mich, als ich das Gebäude betrete, in welchem ich nur Stunden später seine Heiligkeit den 14. Dalai Lama treffen soll. Bis jetzt war der Anlass stets in weiter Ferne. Weit weg von jeglicher Realität. Heute aber ist es soweit. Viele haben mich vorgängig angesprochen und mir gratuliert. Selbst war mir nie so ganz bewusst, was eigentlich auf mich zukommt und welches Glück ich habe. Bis jetzt, in diesem Moment.

Die Zeit vergeht langsam und ich schaue trotzdem immer wieder auf die Uhr. Die Ankunft des Dalai Lama steht erst bevor aber der Saal ist bereits zum Bersten gefüllt. Letzteres ist eigentlich völlig egal. Mich macht nicht das Publikum, sondern der Gast nervös. Und dann, auf einmal, wird es völlig still. Alle erheben sich und mir läuft es erst kalt und dann heiss den Rücken hinunter. Ich sehe noch nichts und doch spüre ich bereits eine gewisse Präsenz. Die Nervosität ist noch da, sogar noch stärker als zuvor. Ich bin weder meine Sorgen los, noch frei von allen Zweifeln aber etwas ist anders. Ich kann nicht genau beschreiben was es ist, aber irgendwie fühlt es sich anders an. Sekunden später betrete ich, wie minutiös geplant, als zweiletzter die Bühne und nehme direkt neben dem Dalai Lama Platz. Erst werde ich von ihm nicht wahrgenommen, dann ganz genau gemustert. Ein kritischer Blick prüft von unten nach oben, wer da neben seiner Heiligkeit sitzt. Als sein Blick meinen trifft wird mir schlagartig bewusst, was mit «der sympathischste Mensch der Welt» eigentlich gemeint ist: Ein Lächeln erscheint aus der sonst nachdenklich wirkenden Miene und springt sogleich auf mich über. Es ist ein ehrliches, herzliches Lächeln. Eines, welches ich sonst nur von vertrauten Menschen in intimen Augenblicken kenne. Es strahlt Zufriedenheit und Glück aus. Viel Glück und viel Zufriedenheit – so wie man es sich für jeden 84-Jährigen wünscht. Ich fühle mich besser. Die Podiumsdiskussion beginnt und ist bald auch schon wieder vorbei. Viel wird gesagt – teils Floskeln, teils einstudiert wirkende Redewendungen, teils tiefgründige Weisheiten. Wenig bleibt aber wirklich hängen – dafür bin ich viel zu absorbiert.

Als alle die Bühne verlassen haben und meine Nervosität langsam schwindet, wird alles intimer. Wir begleiten seine Heiligkeit in einen Nebenraum um gemeinsam zu essen. Ich suche nach meiner Namenstafel und finde sie direkt neben dem Dalai Lama – schon wieder. Mein Herz schlägt höher – schon wieder. Wir setzen uns und der Dalai Lama zeigt, dass er sich nicht scheut, die Regeln zu brechen. Neckisch packt er mich an meinem Bart und sagt: «Young man, long beard – I like». Was das genau zu bedeuten hat weiss ich nicht. Es ist eigentlich auch völlig egal – ich bin hin und weg. Wir sprechen über die Bedeutung der Khata, ein weisser Schal, den er jeweils als Geschenk übergibt, über das Verhältnis von Wissenschaft und Religion und über die indische Kultur. In jedem Thema fühle ich mich ihm komplett ausgeliefert und völlig unterlegen. Dies obwohl ihm meine Meinung wichtiger scheint als manch anderem. Wir essen gemeinsam und seine Heiligkeit verwundert nicht nur mich mit seiner steten Anwesenheit: Wird am anderen Ende des Tisches jemand nicht richtig zitiert oder etwas fälschlicherweise zu simpel erklärt – der Dalai Lama präzisiert, erläutert und korrigiert. Er scheint trotz seiner körperlichen Schwäche geistig voll da zu sein.

Drei Stunden nachdem alles angefangen hat, ist auch schon wieder alles vorbei. Der Raum lehrt sich und ich stehe fast allein da. Was nehme ich mit? Nichts. So hat es seine Heiligkeit zum Schluss des Symposiums gefordert. Vielleicht ist es gerade diese Demut, welche mich begleiten wird. Noch lange.

Dieser Beitrag wurde als Erstpublikation im Magazin Brainstorm veröffentlicht.

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