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Low Code – Lösung für den IT-Fachkräftemangel in KMU?

Mithilfe von Low-Code-Plattformen treiben Citizen Developer die digitale Transformation in Unternehmen voran. Besonders für KMU ist Low Code eine Chance, trotz des akuten IT-Fachkräftemangels dem Digitalisierungsdruck standzuhalten.

Autorin: Nora Lüthi

Wer schon einmal zu Stosszeiten im Hauptbahnhof Zürich war, weiss, wie lang die Schlangen vor den Schaltern sein können. Bis weit in die Bahnhofshalle hinein reihen sich die Menschen dicht aneinander, um mit dem SBB-Personal zu sprechen. Während der Covid-19-Pandemie wurden diese Schlangen für die SBB zu einer grossen Herausforderung: Der Abstand von zwei Metern wurde nicht eingehalten. Eine SBB-Mitarbeiterin nahm die Lösung des Problems selbst in die Hand und entwickelte innerhalb kürzester Zeit auf einer Low-Code-Plattform eine App, die die Organisation der Warteschlangen vereinfachte und so für den nötigen Abstand sorgte. Die SBB-Mitarbeiterin ist keine professionelle Programmiererin, sondern eine Citizen Developerin.

Keine IT-Ausbildung notwendig

Diese App der SBB ist laut Rainer Endl ein typisches Beispiel für den Einsatz von Low-Code-Plattformen. Prof. Dr. Rainer Endl ist Kursleiter des CAS Low Code & Citizen Development, Professor für Wirtschaftsinformatik und Co-Leiter des LowCodeLab@OST an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Der Begriff «Low Code» steht für einen Ansatz in der Softwareentwicklung, bei dem eine Softwareanwendung wie beispielsweise eine App mit wenig Programmcode entwickelt wird. Mit Low-Code-Plattformen können vorgefertigte Software-Bausteine visuell zusammengesetzt und individualisiert werden. «Um diese Plattformen zu bedienen und professionell eingesetzte Software zu entwickeln, braucht es zwar eine gewisse IT-Affinität, aber nur eine kurze Einarbeitungszeit und geringe Programmierkenntnisse», erklärt Rainer Endl. Das bedeutet, dass auch Mitarbeitende ohne IT-Ausbildung mithilfe von Low-Code-Plattformen als sogenannte «Citizen Developer» die digitale Transformation in Unternehmen aktiv mitgestalten und beschleunigen können. Quasi «per Knopfdruck» können die Anwendungen veröffentlicht und den Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung gestellt werden.

 

 

Prof. Dr. Rainer Endl
Kursleiter CAS Low Code & Citizen Development an der OST – Ostschweizer Fachhochschule

Um diese Plattformen zu bedienen und professionell eingesetzte Software zu entwickeln, braucht es zwar eine gewisse IT-Affinität, aber nur eine kurze Einarbeitungszeit und geringe Programmierkenntnisse.

«Der grosse Vorteil von Citizen Developern ist, dass sie in den Fachabteilungen selbst angesiedelt sind und daher ein tiefgreifendes Verständnis für die Herausforderungen und Prozesse ihrer Abteilung im Unternehmen haben. Die Mitarbeiterin der SBB wusste zum Beispiel genau, was das Problem war, und konnte unabhängig von der IT-Abteilung schnell eine passende Anwendung entwickeln», zeigt der Low-Code-Experte auf. In Situationen, in denen dringend eine IT-Lösung benötigt wird, kann so der oft langwierige Prozess des Wissenstransfers von der Fach- zur Entwicklerseite umgangen werden. Low-Code-Plattformen eignen sich auch, um Routineaufgaben zu automatisieren. Rainer Endl hat sich für seine Arbeit zum Beispiel eine kleine Anwendung gebaut, die ihm das Suchen freier Sitzungszimmer und deren Reservation abnimmt.

Mit Low Code dem IT-Fachkräftemangel begegnen

«Das Potenzial von Low Code ist enorm gross», betont Rainer Endl. «Die Digitalisierung in und von Unternehmen schreitet in einem atemberaubenden Tempo voran. Low-Code-Plattformen sind ein Instrument, mit dem Unternehmen den IT-Fachkräftemangel überbrücken und die stockende digitale Transformation in Gang bringen können.» Professionelle Softwareentwicklerinnen und -entwickler werden dadurch nicht überflüssig. Im Gegenteil: Sie gehören zu den gefragtesten Fachkräften auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Mitte 2022 konnten 31 000 ausgeschriebene Stellen im Bereich IT nicht besetzt werden. Einen Wettbewerbsnachteil haben dadurch besonders Unternehmen, die über keine oder nicht genügend eigene IT-Spezialistinnen und -Spezialisten verfügen. Das sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Da auch externe Softwarefirmen ausgelastet sind, ist eine Auslagerung von IT-Aufgaben an diese oft nicht möglich. «Für die digitale Transformation in der Schweiz können Low Code und Citizen Development für KMU ein Booster sein, wenn die Mitarbeitenden die Potenziale und Grenzen dieser Technologien verstehen», erklärt der Professor für Wirtschaftsinformatik.

«Low-Code-Plattformen sind ein Instrument, mit dem Unternehmen den IT-Fachkräftemangel überbrücken und die stockende digitale Transformation in Gang bringen können.»

KMU kennen Potenzial von Citizen Development (noch) nicht

Die Realität sieht jedoch anders aus: Heute sind es vor allem grosse Unternehmen, die Low Code einsetzen. Beispiele sind die Zürich Versicherung oder die bereits erwähnte SBB, die mehrere von Citizen Developern entwickelte Applikationen im produktiven Einsatz haben. Diese verfügen schon heute über geeignete Strukturen für die Organisation der Zusammenarbeit zwischen IT-Abteilung und Citizen Development. KMU hingegen setzen häufig auf vorgefertigte Standardsoftware. Individuelle Lösungen für disruptive Geschäftsmodelle und neuartige Geschäftsprozesse lassen sich mit diesen Systemen aber nur selten umsetzen. «KMU wissen noch zu wenig über Low-Code-Plattformen oder wie sie Citizen Development erfolgreich im Unternehmen etablieren können», erklärt der Studienleiter. «Im CAS Low Code und Citizen Development zeigen wir beispielsweise Führungskräften von KMU, wie sie Low Code in ihrem Unternehmen sinnvoll einsetzen und damit die digitale Transformation beschleunigen können.»

Manche Unternehmen schrecken vielleicht auch vor den möglichen Gefahren von Low Code zurück. Kritisiert wird zum Beispiel, dass Low Code die «Schatten-IT» fördere. Von Schatten-IT spricht man, wenn Systeme, Applikationen oder Cloud-Dienste von Mitarbeitenden eines Unternehmens ohne Wissen oder Zustimmung der IT-Abteilung genutzt werden. Rainer Endl widerspricht diesen Befürchtungen: «Low Code kann sogar helfen, die bereits vorhandene Schatten-IT im Unternehmen zu reduzieren. Denn jede App, die auf einer Low-Code-Plattform läuft, ist registriert. Die IT-Abteilung kann dadurch den Überblick behalten, die Applikationen prüfen und freischalten.»

CAS Low Code & Citizen Development

Mithilfe von Low-Code-Plattformen können auch Mitarbeitende ohne spezifische IT-Ausbildung als «Citizen Developer» die digitale Transformation im Unternehmen aktiv mitgestalten und beschleunigen. Der CAS Low Code & Citizen Development befähigt dazu, auf Low-Code-Basis Applikationen und Automatisierungen zu realisieren sowie Low-Code-Technologien und Citizen Development erfolgreich im Unternehmen zu etablieren.

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