Die drei grössten Irrtümer zum Thema Führung

Was ist gute Führung, und wann gilt eine Chefin oder ein Chef als inkompetent? Da scheiden sich schon seit langem die Geister. Beim Begriff «Führung» schwirren viele Assoziationen im Kopf herum: Macht, Verhandlungsgeschick, Erfolg und Verantwortung. Gleichzeitig erinnern sich auch viele von uns an negative Erfahrungen, die sie mit dem Begriff der Führung in Verbindung bringen: Machtmissbrauch, Inkompetenz, Willkür oder fehlendes Einfühlungsvermögen.

Je nach Erfahrungen am Arbeitsplatz sind die Einstellungen entsprechend subjektiv. Einig sind sich allerdings die meisten: Chefs können entweder gut oder schlecht sein. Die Frage, welche Faktoren nun für den Führungserfolg (oder eben Misserfolg) ausschlaggebend sind, beschäftigt die Forschung seit langer Zeit. Von den eigenschaftstheoretischen Ansätzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis hin zur agilen Führung, die nach der Jahrtausendwende aufkam, gibt es einiges an Theorien und wissenschaftlicher Forschung. Führung ist sogar eines der am meisten erforschte Gebiete in der Wirtschaftspsychologie. Da liegt es auf der Hand, dass sich auch einiges an Irrtümern ansammelt. Einige davon werden hier genauer erläutert.

Irrtum 1: Nur personalisierte Führung ist Führung

Unter Führung wird spontan meist der persönliche Austausch zwischen der geführten Person und der Führungskraft verstanden. Alles, was nicht mit direkten Anweisungen oder Interaktionen zu tun hat, geht dabei häufig vergessen. Dabei werden alle Interaktionsprozesse, die zwischen direkt anwesenden Personen geschehen als personalisierte Führung bezeichnet. Dazu gehören beispielsweise auch die Mitarbeitendengespräche oder das gemeinsame Erarbeiten der Arbeitspläne. Allerdings ist auch die entpersonalisierte Führung ein wichtiger Bestandteil der Führung. Dabei ist kein sichtbares Eingreifen der Führungskraft zu beobachten. Dafür wird mit Strukturen und genau definierten Prozessabläufen für Mitarbeitende die Möglichkeit geschaffen, selbstständig zu arbeiten. Ein Vorteil dieser entpersonalisierten Führung ist die breite Reichweite. Mit vorgegebenen Strukturen und Arbeitsabläufen kann eine Führungskraft mehr Menschen erreichen als in einem persönlichen Austausch. Zudem können sich eine gute Arbeitsstruktur und detaillierte Vorgaben auch positiv auf die Arbeitsweise und Selbstständigkeit der Arbeitnehmenden auswirken, was auch dafür sorgt, dass die persönlichen Eigenschaften und das Können der Führungskraft nicht mehr alleine im Vordergrund stehen. Oder anders gesagt: Die individuellen Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften der Führungsperson verlieren an Bedeutung, was den Führungserfolg betrifft.

Irrtum 2: Die geborene Führungskraft

Schon seit etlichen Jahrzehnten beschäftigen die Menschen sich damit, was eine gute Führungskraft ausmacht. Um 1900 waren die «Great Man» Theorien besonders populär, die besagten, dass die ideale Führungskraft als solche auf die Welt kommt. Das sind in der Regel Menschen, die besonders dominant sind, über ein grosses Selbstvertrauen verfügen und die besonders viel Überzeugungskraft mit sich bringen. Wirklich trainieren kann man die Führungskraft dann aber nicht – bloss aussuchen. Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Führungserfolg erscheint auf den ersten Blick als ziemlich plausibel. Allerdings zeigte die Forschung, dass der Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften und guter Führung gering ist. Es gibt zwar einen Zusammenhang zwischen erfolgreicher Führung und gewissen Eigenschaften einer Person, wie beispielsweise

Extraversion oder emotionale Stabilität. Allerdings reicht das als Erklärungsansatz bei weitem nicht aus. Aus diesem Grund wurde nach alternativen Erklärungsansätzen gesucht. Im Laufe der Jahre entstanden verschiedene Führungstheorien, die sich mit dem Verhalten der Führungskräfte, aber auch mit der Situation und Organisationen als Kulturen auseinandersetzten. Der Glaube an die ideale Führungskraft mit den entsprechenden angeborenen Fähigkeiten hält sich aber bis heute noch hartnäckig.

Irrtum 3: Alle Mitarbeitenden sollen gleich behandelt werden

Das stimmt nicht, wenn man sich bei der Führung am Reifegradmodell nach Hersey und Blanchard (1977) orientiert. Laut diesem Modell gibt es für jeden Mitarbeitenden den idealen Führungsstil. Dieser hängt jeweils vom Reifegrad der Mitarbeitenden ab und dieser wird aus dessen Motivation und Fähigkeiten abgeleitet. Wenn Mitarbeitende in diesen Bereichen geringe Werte aufweisen, wird empfohlen, eher aufgabenorientiert zu führen. Das bedeutet unter anderem auch, dass diese Personen mehr technische Anweisungen benötigen im Gegensatz zu den Personen, die sich inhaltlich engagieren möchten. Das klingt plausibel. Der Auszubildende wird somit enger begleitet, während die langjährige Projektmanagerin mehr Freiheiten geniesst. Ein Vorteil ist zudem auch, dass Personen, die mehr Verantwortung übernehmen wollen, dies auch machen können und somit auch die vorgesetzte Person entlasten können. Allerdings kann die Schätzung des entsprechenden Reifegrades die Führungskraft auch vor Herausforderungen stellen. Dabei muss auch beachtet werden, dass sich die Reife des jeweiligen Mitarbeitenden auch im Laufe der Zeit verändern kann. Zudem wird kritisiert, dass sich dieses Modell auf wissenschaftlicher Ebene kaum überprüfen lässt.

Fazit:

Zum Thema Führung wird viel Forschung betrieben und es gibt einiges an Theorien dazu, was eine gute Führungskraft ausmacht. Wichtig dabei ist zu beachten, dass Führung immer abhängig vom Kontext und der Situation ist. Es gibt (leider) kein allgemeingültiges Erfolgsrezept, wenn es um die ideale Führungskraft geht.

 

Quellen und weiterführende Informationen:

Fichter, C. (Hrsg.). (2018). Wirtschaftspsychologie für Bachelor. Berlin: Springer.

Kauffeld, S., Ianiro-Dahm, P.M., Sauer, N.C. (2019). Führung. In: Kauffeld, S. (Hrsg.) Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie für Bachelor. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg.

Kommentare