Abenteuer Paris - letzte Etappe

Olivier Stamm
Student Shanghai Jiao Tong University FH-Absolvent
  • 14.12.2018
  • 6 min
Wie der Besuch des Christkindes kommt auch das Ende meines Aufenthaltes in Paris immer näher, also wollte ich meine letzten Tage in der Fremde nochmals richtig geniessen. Die vergangenen Wochen boten wieder viel Action, sei dies als Austauschstudent mit Abstechern nach England & Wales, Amateur-Läufer oder Krawallmacher in den Diensten der ‘Gilets Jaunes’!

Das war natürlich bloss ein schlechter Scherz, ich habe mich nicht unter die Gelbwesten in Paris gemischt! Trotzdem geht diese Protestbewegung nicht spurlos an mir vorbei - wie auch? 36 Metrostationen und sämtliche Läden der Avenue des Champs-Élysées, die Touristenhighlights Louvre und Eiffelturm sowie alle Standorte meiner Universität blieben am vergangenen Wochenende geschlossen. Paris stand still!

Die Bewegung der ‘Gilets Jaunes’ zeigt deutlich, dass der Grossteil des französischen Volkes unglücklich ist. Und ganz dem Stereotyp entsprechend geben die stolzen Franzosen ihren Unmut auf der Strasse streikend zum Ausdruck. Dieses politische Anliegen ist aber trotzdem sehr ungewöhnlich für Frankreich, da es nicht durch eine grosse Arbeitervereinigung oder durch eine politische Partei initiiert wurde, sondern auf sozialen Medienplattformen begann. War der Protest gegen steigende Treibstoffpreise im Frühling noch online und eher schwach, ist er mittlerweile im ‘richtigen Leben’ spürbar. Über das ganze Land verteilt schütteln sich Linksextreme und Nationalisten, Parteilose und Krawallmacher die Hände und stiften Unruhe. Was als legitime politische Bewegung entstand, geriet vor zwei Wochen komplett ausser Kontrolle. In Paris (und anderen Städten) wurden Autos angezündet, Läden geplündert und Wahrzeichen wie der Arc de Triomphe beschmiert. Dieses Spektakel wiederholte sich am letzten Wochenende, als mehr als 100'000 Franzosen auf die Strassen pilgerten.

Am vergangenen Montag richtete sich nun Präsident Macron ans Volk. Seine 12-minütige Fernsehansprache wurde von mehr Leuten verfolgt als Frankreichs siegreicher Fussball-WM-Final im Sommer dieses Jahres! In seiner Ansprache an die Nation ging der Präsident vor dem Volk auf die Knie: Auf die zusätzlichen Abgaben auf Treibstoff wird verzichtet, dafür werden Sozialleistungen erhöht, was zu einem jährlichen Mehraufwand von rund 15 Milliarden führt. Da bleibt unsereins die Spucke weg: Die Regierung knickt ein vor Randalierern - der einst stolze französische Präsident wirkt wie der Knecht seines Volkes. Die französische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gerät immer mehr in eine Negativspirale und so sehe ich kurz- und mittelfristig keine rosige Zukunft für die einstige ‘Grande Nation’.

Doch nun genug der schlauen Analyse und sowieso soll man dem Negativen nicht so viel Bedeutung schenken. Es gibt ja immer reichlich Schönes, woran man sich erfreuen kann. Eines meiner Highlights dieses Austauschsemesters war der Marathon von La Rochelle. Ich reiste am Vortag des Marathons per TGV in die französische Küstenstadt, um meine Startnummer zu fassen und an der Pasta-Party teilzunehmen. Was an den meisten Events bloss eine Pflichtübung auf dem Programmheft ist, wurde in La Rochelle richtig zelebriert: Beim Einmarsch in die riesige Messehalle wurde man von freiwilligen Helfern klatschend empfangen und mit ermunternden Parolen motiviert. Die Pasta wurde den Läufern anschliessend am Platz serviert und ganz französisch gehörte auch ein Glas Wein zur Marathonvorbereitung dazu.

Gut verpflegt startete ich also am Sonntag zu meinem ersten Marathon seit gut einem Jahr. Aufgrund einer kleinen Verletzung im Vorfeld des Laufs wusste ich nicht so recht, wie es um meine Form stand, dazu kam etwas Regen und vor allem ein starker Wind. Die ersten 30 Kilometer liefen (sich) dann ganz gut, nur um auf den letzten 12km dem schnellen Tempo etwas Tribut zollen zu müssen. Schliesslich passierte ich nach etwas mehr als 3h 3min mit neuer Personal Best die Ziellinie. Grossartig. Als Finisher-Preis erhielt jeder Läufer einen Korb voll Austern, die ich mir gleich nach dem Marathon gönnte. Noch immer bin ich erstaunt, dass sich mein Magen nach 20 Austern nicht negativ bemerkbar machte. Haha.

Neben Sport und kulturellen Abenteuern war mein drittes persönliches Ziel des Austausches, mein Französisch aufs nächste Level zu hieven. Dazu absolvierte ich einen Sprachkurs an der Uni und nützte jede Gelegenheit für einen Schwatz. Alles in allem bin ich zufrieden. Einzig das Schreiben bereitet mir noch etwas Mühe, ansonsten fühle ich mich nun wohl genug, um auch komplexere Themen in Französisch zu behandeln. Die Abschlussprüfung in Französisch lief dann ganz ordentlich, und die restlichen Semesterarbeiten und Tests ebenso. Eine schlechte Überraschung erwarte ich nicht. Damit habe ich (zumindest vorerst) meine letzte Vorlesung besucht, denn zurück in China gilt es keine Kurse mehr zu besuchen, sondern die Masterarbeit zu schreiben!

Mein Austauschsemester liess ich zudem mit einigen kulturellen Tätigkeiten ausklingen. Erst machte ich einen kurzen Abstecher nach England zu meiner Freundin und schwang das Tanzbein an einer Hochzeit. Anfangs November stand zudem das Tennis-Turnier in Paris-Bercy auf dem Programm, wo ich Tennisgrössen wie Federer, Djokovic oder Zverev zujubeln durfte. Zudem kamen mich meine treuen Freunde Simon und Stöfi in Paris besuchen. Am ersten Adventwochenende taten dies ihnen Dana und Nadia, zwei ehemalige Mitstudentinnen des International Management Studienganges an der ZHAW, gleich. Das Programm war für die Herren wie Damen das Gleiche: Gemeinsam liessen wir uns von den kulinarischen Vorzügen der französischen Hauptstadt überzeugen und rannten in Laufschuhen an einigen Sehenswürdigkeiten vorbei. Schliesslich ging es letztes Wochenende per Eurostar-Zug von Paris nach London, um dort ein paar Tage mit meiner Freundin zu verbringen. Auf dem Tagesplan stand vor allem Weihnachtshopping, sodass ich nun alle Geschenke beisammen habe und guten Mutes Ende dieser Woche in die Schweiz zurückkehre.

Und wie geht es dann weiter? Nach ein paar besinnlichen Tagen umgeben von meiner Familie reise ich noch vor Silvester zurück nach Asien: Von Januar bis März absolviere ich ein Praktikum bei Synpulse Management Consulting in Hong Kong, bevor ich im April zum Abschluss meines Studiums an der Shanghai Jiao Tong University nach China reise.

Euch allen wünsche ich besinnliche Festtage und zu gegebener Zeit einen prächtigen Start ins neue Jahr.

Liebe Grüsse

Olivier

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