Herausforderungen für Rhythmiker/innen im Berufsfeld Volksschule

Graziella Contratto
Fachbereichsleiterin Musik | Hochschule der Künste Bern HKB
  • 21.02.2020
  • 3 min
Der Lehrplan 21 sieht an den Volksschulen das Fach Musik&Bewegung vor – und die FHs bilden die Fachlehrpersonen dazu aus. Diese finden aber, je nach Kanton, an den Schulen eine frustrierende Realität vor. Was dagegen zu tun wäre.

Im Lehrplan 21 wird dem Bereich Musik eine zentrale Bedeutung zugestanden: «Innerhalb der Schule als Lern- und Kulturort leistet der Musikunterricht einen wichtigen Beitrag an die kulturelle Bildung, indem er allen Kindern und Jugendlichen das Bilden und Schärfen eines ästhetischen Urteils und den aktiven Umgang mit Musik ermöglicht. Übergeordnetes Ziel ist eine musikalische Grundbildung (…).» Fakt ist, dass diese intelligent und vorausschauend formulierten, für ein holistisches Unterrichtsmodell konzipierten Ziele eine ausserordentliche Souveränität verlangen: Die Lehrperson ist nämlich angehalten, sich selbst als kompetente Förderfigur für kreative, performative, kulturelle und praxisbezogene Belange im Musikunterricht einzubringen.

Die Frage, die sich die Erziehungsdirektion eines Kantons nun stellen muss, ist folgende: Wie sieht die Umsetzung des Lehrplans bei Absolventinnen/Absolventen einer Pädagogischen Hochschule aus, die unter Umständen das Fach Musik sogar abgewählt hatten? Wie fühlt sich ein Generalist oder eine Generalistin ohne professionelle musikpädagogische Basis im Musikunterricht? Welchen Wert hat Musik demnach tatsächlich im neuen Lehrplan?

An den Musikhochschulen gibt es für das Problem eigentlich die ideale Lösung: den Studienbereich Musik&Bewegung oder Rhythmik, der als berufsbefähigendes Bachelorstudium eingerichtet wurde. Er bietet praxis­orientierte Erfahrungsfelder für musikalisch begabte, bewegungsaffine und pädagogisch inspirierte künftige Lehrpersonen an. In Projekten, Auftritten, Kooperationen mit Primarschulen eignen sich die Studierenden alles an, was sie später für die Entfaltung der Schulklassen im Bereich Musik und darüberhinaus beitragen werden. Sie kennen die Herausforderungen der musikalischen Grundbildung an der Volksschule, sind unbestritten dazu befähigt, komplexe transdisziplinäre Schulprojekte durchzuführen. Ihr Unterricht sichert an der Volksschule «einen einzigartigen Zugang zur kulturellen Bildung», basierend «auf einem erweiterten Musikverständnis, das auch Rhythmik/Musik und Bewegung sowie Elemente aus dem Tanz miteinbezieht». So wie das im Lehrplan 21 steht.

Warum finden aber unsere Rhythmiker/innen trotz dieser idealen Konstellation eine Berufsrealität vor, die sie frustriert? Der Grund liegt in der unterschiedlichen Handhabung der Monofächer: Jeder Kanton entscheidet individuell, ob an der Volksschule Musik&Bewegungs-Fachlehrpersonen angestellt werden dürfen oder nicht. Am schlechtesten trifft es jene Monofächler, die in gewissen Kantonen entweder gar keine Chance haben, sich zu bewerben respektive bei einer Anstellung einen sogenannten Vorstufenabzug erhalten, da sie keinen PH-Abschluss vorweisen, trotz der fachlichen Spezialisierung.

Wahrscheinlich bleiben uns nur zwei Optionen: Entweder versuchen die Musikhochschulen, im Modulplan der Musik&Bewegungs-Studien einen Anteil an PH-Fächern zu integrieren, zum Beispiel um die Wertigkeit der Bachelorabschlüsse pädagogisch zu erhöhen, oder die Evaluation des Lehrplans 21 ergibt, dass die Qualität der Monofächer, wie kürzlich geschehen im Fach Frühfranzösisch im Kanton Bern, ein gewisses Mindestmass nicht unterschreiten darf und unsere Alumni und Alumnae als Kompetenzträger/innen gleichwertige Mitglieder der Volksschule werden. Dies sollte sich ein offenbar auf aktuellen neuropsychologischen Erkenntnissen basierender Lehrplan eigentlich leisten können.

Dieser Gastbeitrag erschien im INLINE Februar 2020 unter der Rubrik "Zu Besuch".

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