«Dass es so ruhig und glatt abgelaufen ist, hat mich selbst überrascht»

In jedem familiengeführten Betrieb stellt sich irgendwann die Frage nach der Nachfolge. Gibt es überhaupt interessierte und valable Kandidaten für die «Thronfolge»? Und wie läuft eine solche Übergabe ab? Diese Erfahrung hat Manuel Hunkeler gemacht, als er von seinem Vater die Führung eines gesunden KMU-Betriebs vor einem Jahr in die Hände gelegt bekam.

Erst kürzlich hat ein Historiker recherchiert, dass die Unternehmensgeschichte der Firmengruppe 1a Hunkeler bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. Bald schon steht das 250-Jahr-Jubiläum des auf Holz- und Fensterbau spezialisierten Unternehmens in Ebikon (LU) an. In dieser ganzen Zeit wurde der Betrieb von Familienmitgliedern geführt. Eine Seltenheit. Manuel Hunkeler (33) vertritt nun seit gut einem Jahr als Vorsitzender der Geschäftsleitung und VR-Delegierter die neunte Generation. Ebenfalls in der Firma engagiert sind seine jüngere Schwester und sein Schwager – der Ehemann seiner älteren Schwester.

 

Durch seine Faszination für Holz wählte Manuel zuerst den Beruf des Zimmermanns. Danach liess er sich an der BFH Architektur, Holz und Bau in Biel zum Holzbauingenieur ausbilden und absolvierte später einen MBA an der Hochschule Luzern. Dies wirkt, als hätte sein Weg in die Firma schon früh festgestanden. Dass dem nicht so war, erzählt er im Interview, wo er auch über natürliche Entwicklung, Verantwortung, Erfolgsrezepte, aber auch Respekt und Demut spricht.

 

Ist dir unternehmerisches Denken – also das berühmte «Unternehmergen» – in die Wiege gelegt worden? Oder hast du es als Lernprozess erlebt?

Manuel Hunkeler: Das wurde mir in die Wiege gelegt. Ich habe schon in jungen Jahren in Jugendvereinen immer Verantwortung ĂĽbernommen und gerne entschieden. Das fiel mir nie schwer. Das hat sich ganz einfach so entwickelt, daher war der Schritt in die Firma zwar gross, aber nicht immens. Ich habe es als natĂĽrliche Entwicklung empfunden.

 

Hat dich dein Vater schon frĂĽh jeweils mit in den Betrieb genommen?

Ich war als Kind schon auch ab und zu im Betrieb. Aber ich wurde nicht «im Sägemehl gross». Das zu behaupten, wäre übertrieben. Und es stand für mich auch nicht von Anfang an fest, dass ich einst in der Firma arbeiten werde. Das hat sich während und durch meine FH-Studien herauskristallisiert. Gegen Ende meines Bachelors an der BFH hat sich der Weg für mich abgezeichnet. Bis dahin war ich einfach aus Interesse und Leidenschaft im Holzbau tätig.

 

Also hat dein Bachelorstudium letztlich den Entscheid herbeigefĂĽhrt?

Nicht unbedingt das Studium an sich. Dort stand auch nicht das Unternehmerische im Vordergrund. Der Entscheid fiel wohl einfach in diese Zeit. Spätestens während des MBA hat sich aber bestätigt, dass mein heutiger Job wirklich das Richtige für mich ist.

 

Wann stand fest, dass du die Firma ĂĽbernehmen wirst?

Es gab nicht diesen Moment x. Die Idee war schon länger in mir und der Entscheid ist über die Jahre in der Familie herangereift. Klar, irgendwann wurde es angesprochen und ich musste mir dann auch nochmals konkret Gedanken dazu machen. Aber die heutige Struktur mit meiner Schwester, meinem Schwager und mir hat sich erst in den letzten zwei Jahren vor der Übergabe ergeben. Jetzt haben wir die Ideallösung, sodass wir die Firmengruppe als Familienunternehmen weiterführen können.

 

Hattest du auch Respekt oder in manchen Momenten gar Angst vor der Verantwortung?

Angst hatte ich nie. Respekt vor dieser Aufgabe habe ich nach wie vor. Und bin sehr froh, sind meine Eltern noch hier. Mein Vater hat zwar sein ehemaliges Büro mir überlassen und sich komplett aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Aber natürlich ist er für uns da, wenn wir Fragen haben. Und dann ist hier auch noch die Geschäftsleitung, die ihre Teams im Rücken hat. Alle machen einen super Job, was es mir enorm erleichtert, auch meinen gut zu machen.

 

Wie ist die Ăśbergabe abgelaufen?

Diese geschah auf den 1. März 2021 hin. Ich habe einige Monate vorher ein zweites Pult im Büro meines Vaters eingerichtet. Am 1. März haben wir die Pulte dann getauscht – damit ging sowohl symbolisch als auch faktisch die Geschäftsführung an mich über. Anfang Mai 2021 wurde mein Vater dann 65 und ist in derselben Woche aus dem Büro ausgezogen mit den Worten: «Das läuft jetzt und ich habe ein gutes Gefühl.» Dass es so ruhig und glatt abgelaufen ist, hat mich selber überrascht. Ich denke, es hat auch viel mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen zu tun. Das ist ganz wichtig. Sowie ein offener Austausch. Diesen führen wir auch fort: Ich gehe jeden Dienstagmittag zu meinen Eltern essen. Dort können wir uns in einem informelleren Rahmen austauschen. Das gibt mir ein gutes Gefühl. Meine Eltern haben so viel Erfahrung, ich wäre blöd, würde ich nicht davon profitieren.

 

Was kommt dir heute im Alltag eher zugute: deine Kenntnisse aus dem Studium in Holztechnik oder als CEO doch eher der MBA?

Die Basis von allem und etwas vom Wichtigsten ist für mich nach wie vor die Lehre als Zimmermann. Wenn ich mit meinem Team über ein technisches Detail rede, stelle ich mir immer vor, wie ich das eins zu eins umsetzen würde. Wir haben immer den Anspruch, dass unsere Lösungen praktisch umsetzbar sind, dass sie «verhebed» – also keine theoretischen Lösungen. Wenn ich mich da hineindenke, ist mir meine Lehre immer noch am nächsten. Es ist ein schöner Mehrwert, dass ich mich mit meinem Team auch in diesen Grundlagen beraten kann.

FĂĽr meine heutige Funktion ist sicher der MBA wichtig. Als ich vor vier Jahren hier in den Betrieb kam, hatte ich den Abschluss noch nicht. Da war es schwierig, mir meinen heutigen Job-Alltag vorzustellen. Der MBA hat mir Klarheit gegeben und mich gelehrt, die Schwerpunkte richtig zu setzen.

 

Für das Familienunternehmen bist du «nur» einer in einer ganzen Reihe von Verwaltern. So hat es jedenfalls dein Vater in Bezug auf seine Rolle einmal genannt. Wie siehst du deine Funktion?

Ich würde mich nicht als Verwalter, sondern als Entwickler bezeichnen. Auch wenn mein Vater schon das Wort «Verwalter» benutzt hat, so trifft das aus meiner Sicht nicht zu. Die Firma hat in den acht bisherigen Generationen immer wieder andere Dinge angeboten, war stets innovativ. Einst war es nur Holzbau, dann kam die Sparte mit den Fenstern dazu, die heute den viel höheren Umsatz ausmacht. Doch es sind Wellenbewegungen. Eines Tages wird der Holzbau vielleicht wieder grösser sein.

 

Siehst du auch Potenzial fĂĽr Weiterentwicklung?

NatĂĽrlich, das ist unser Unternehmen auch gewohnt. Mein Vater beispielsweise hat mit unserem patentierten Fenstersystem die Firma ĂĽber die Landesgrenze hinaus bekannt gemacht.

 

Ihr vertretet die neunte Generation im Familienunternehmen. Ist da auch ein gewisser Druck vorhanden, wiederum dafür zu sorgen, dass das Unternehmen auch in der nächsten Generation
in der Familie bleibt?

Ich bin mir absolut bewusst, dass wir keinen Anspruch haben können, dass eine zehnte Generation die Firma familienintern weiterführen will. Es gibt ja bereits eine zehnte Generation mit den Kindern meiner Schwester und meines Schwagers, der in der Geschäftsleitung tätig ist. Und auch bei mir ist es im Sommer erstmals so weit. Potenzielle Kandidaten wären also da – aber sicher keine Ansprüche. Ich persönlich verspüre jedenfalls überhaupt keinen Druck.

 

Qualität statt Quantität. Die Firma ist bewusst nicht zu gross geworden und mit rund 60 Mitarbeitenden ein klassischer KMU-Betrieb. Soll das wenn möglich auch unter deiner Ägide so bleiben?

Dass wir an diesen beiden Dampfern Holz- und Fensterbau weiterarbeiten und diese entwickeln, steht fest. Dass daneben noch weitere Schnellboote entstehen und sich entfalten können, ist aber nicht ausgeschlossen. Meine Interessen hören nicht bei Fenstern und Holz auf.

 

Was sind denn deine weiteren Interessen?

Es gibt konkrete Ideen, an denen wir derzeit arbeiten – allerdings noch nichts Spruchreifes. Im Moment fokussiere ich mich auf das angestammte Geschäft, bis dieses die für mich richtige Dynamik hat. Die Gefahr, sich sonst zu verzetteln, ist aus meiner Sicht zu gross.

 

Dein Unternehmen steht sehr gut da, während andere Fensterbauer in den letzten Jahren Konkurs gingen. Wie ist man als Holz- und Fensterbau-Unternehmer heute erfolgreich?

Man muss da klar trennen und jeweils die Holz- und Fensterbrille einzeln aufsetzen. Zum Fensterbau: Der Grund, warum es uns heute noch gibt, ist unser Fokus auf ein gutes Produkt – und zwar eines und nicht sieben. Dieses eine Produkt können wir effizient und qualitativ hochstehend produzieren. Der zweite wesentliche Punkt ist der gute Job, den unsere Mitarbeitenden machen. Dadurch haben wir viele wiederkehrende Kunden. Das beginnt beim Verkauf mit einer guten Begleitung, dazu eine fundierte technische Unterstützung. Weiter bei den Projektleitern, diese begleiten das Projekt von A bis Z als Ansprechperson für unsere Kunden. Nach einer sorgfältigen Produktion folgt schliesslich unser Team auf der Baustelle, das auch dort Qualität abliefert und die Kunden vor Ort mit seiner Arbeit überzeugt.

Im Holzbau liegt unser Fokus auf Privatkunden, denen wir ein Sorglos-Paket anbieten. Wir nehmen den Kunden an die Hand und begleiten ihn durch ein gesamtes Projekt bis zum Schluss. Dazu gehört, dass wir auch Formalitäten mit den Behörden und Nebenunternehmen erledigen. Wir bieten praktische Lösungen, die umsetzbar sind, die – wie schon einmal erwähnt – «verhebed». Ausserdem entwickeln wir uns derzeit zusätzlich zum Dienstleister für Architekten und Planer. Und zwar ganz klar mit der Praktikerbrille. Wir wissen, wie man etwas umsetzen kann, auch damit es preislich nicht überbordet. Wir haben bemerkt, dass ein Bedürfnis der Architekten dafür da ist. Sie mögen es, Praktiker wie uns an der Seite zu haben. Und auch hier gilt: Am Ende muss man die richtigen Leute im Team haben, um das umsetzen zu können, und das haben wir auch im Holzbau glücklicherweise.

 

Was sind deine persönlichen Zutaten zum Erfolgsrezept für einen guten Unternehmer?

Ein Unternehmer muss sicher zu einem Anteil visionär sein – trotzdem genügend realistisch. Und bodenständig. Er sollte das grosse Ganze im Auge behalten. Die Rolle des Vorgesetzten hat sich zudem gegenüber früher verändert, weg vom patronalen Chef hin zum Coach. Heute sind Leadership-Qualitäten viel stärker gefragt. Die Bedeutung, im Team etwas zu entwickeln, hat stark zugenommen. Weiter ist wichtig, dass man Schwächen eingestehen kann. Ich muss einem Maschinenführer in der Fabrik nicht sagen, wie er die Maschine zu führen hat. Wenn ich ihm aber die richtigen Fragen stelle, kann ich meine Puzzleteile zusammenbringen und mir mein Bild von der Situation oder einer Problemstellung machen. Ich muss meinen Mitarbeitenden nie vormachen, ich sei überlegen. Ganz persönlich finde ich eine gewisse Bescheidenheit richtig.

 

Auch im Sinne einer Demut?

Ja. Es ist schlussendlich eine Freude, eine solche Aufgabe wahrnehmen zu dürfen, eine solche Möglichkeit zu haben. Ich muss mir – auch im Umgang mit Kunden wie mit den eigenen Mitarbeitenden – stets vor Augen halten, dass das nicht selbstverständlich ist. Mit 33 Jahren die Möglichkeit zu haben, eine solche Funktion wahrzunehmen, ist sicher eine gewisse Herausforderung, aber vor allem auch ein grosses Privileg.

 

Bild: Linda Pollari

 

Dieses Interview erschien als Erstpublikation im Magazin INLINE, Ausgabe Mai 2022.

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